Wie Öl im Ozean: VG Wort will Leistungsschutzrecht durchsetzen
- VG Wort nimmt die neuen Rechte der Urheber wahr
The Internet is the first thing that humanity has built that humanity doesn’t understand, the largest experiment in anarchy that we have ever had. Eric Schmidt, Executive Chairman of Google
Spätestens seit Verabschiedung des Leistungsschutzrechts wissen wir, dass Deutschland nicht unbedingt der Ort für solche Experimente ist.
Das Gesetz, wonach Verleger ihre „Presseerzeugnisse oder Teile hiervon zu gewerblichen Zwecken öffentlich zugänglich machen [können], es sei denn, es handelt sich um einzelne Wörter oder kleinste Textausschnitte“, hatte einige Wellen geschlagen.
Die Schwierigkeit, die die Front der Verleger und Produzenten hat, besteht allerdings darin, dieses Recht durchzusetzen. Jetzt hat sich die VG Wort angeboten, des Teufels Advokaten zu spielen.
Der Vorstand der VG WORT wird den zuständigen Gremien vorschlagen, den Wahrnehmungsvertrag dahingehend zu erweitern, dass – falls von den Rechteinhabern gewünscht – in Zukunft das Leistungsschutzrecht der Presseverleger und der Beteiligungs-anspruch der Urheber durch die VG WORT wahrgenommen werden können.
Was allerdings immer noch nicht die Details klärt und die Verwertungsgesellschaft vor einige Aufgaben stellen wird. Denn welche Leistungen eigentlich tatsächlich unter die Hoheit des Gesetzes fallen, was geschützter Inhalt ist und was nicht, deutet die Gesetzes-Definition nur ahnungsvoll an.
Der Spatz in der Hand, doch die Taube auf dem Dach
Von der Diskussion hat Google bisher vielleicht am meisten profitiert, indem der Gigant den Verlegern einfach eine Opt-Out-Option anbietet. Wer nicht will, muss seine Inhalte nicht indizieren lassen. Aber wer will da nicht…
Der ganze Vorstoß der Verleger – der inzwischen ja auf EU-Ebene weitergeht – wirkt, als würde jemand schon im Fallen mit einer Schrotflinte um sich schießen. Mal gucken, wer liegen bleibt und uns noch eine Weile als Podest dienen kann.
Google jedenfalls ist der lachende Dritte. Das Gesetz wird wahrscheinlich vor allem kleinere News-Aggreatoren treffen, die in Zukunft wohl entweder Wort-Erbsen zählen oder zahlen werden.
- Zum Nachhören: Podcastempfehlung
In diesem Zusammenhang sei auch auf einen Podcast-Beitrag hingewiesen, der im Rahmen der vorletztes Wochenende in Berlin veranstalteten „Konferenz zu freien Bildungsmaterialen“ entstand. Dr. Paul Klimpel widmet sich darin einem ganz ähnlichen Graubereich in der Netzpolitik: Der aktuellen Rechtslage von Creative-Commons-Lizenzen, im Speziellen der NC-Lizenzen, also der Rechtevergabe zur nicht-kommerziellen Nutzung von Inhalten.
Wichtigster Kritikpunkt des Beitrages ist die Frage nach der Sinnhaftigkeit von NC-Lizenzen. Eine nicht-kommerzielle Nutzung von Inhalten ist eine ausgesprochen wage Definition mit vielen Fallstricken. Denn wer eigentlich kommerziell nutzt und wer nicht, wie Einkünfte aus Vereinsbeiträgen, Gebühren und Ähnlichem bewertet werden, liegt manchmal im schielende Auges des Betrachters. Und so sitzen vielleicht gerade die Medien, für die die geistige Nahrung eigentlich gedacht war, aus zu viel Vorsicht hungrig am gedeckten Tisch.
(Direktlink zum Video)
- Fazit
Irgendwie scheint sich die Katze in den Schwanz zu beißen. Eine demokratische Regulierung des Internets, wie sie von der Deutschen Content Allianz auf der Medienwoche Berlin-Brandenburg noch einmal gefordert wurde, scheint an der Netz-Wirklichkeit vorbei zu argumentieren. – Auch wenn für Dieter Gorny, Vorstandsvorsitzendem des Bundesverbandes Musikindustrie, die
‚romantische Idee‘ mit Content produzierenden Ich-AGs ‚gestorben‘ [und er] die ‚Neue Welt‘-Debatte rund um die Netzpolitik mit Liquid Democracy (…) ‚für retro‘ hält. (via heise.de)
Das Internet ist schließlich auch weiterhin ein großer Ozean mit vielen bunten Fischschwärmen, Kleinstkrebsen, Haien, Walen, Flundern und unbekannten Tiefen. Es ist nicht voller Parasiten, die sich an die Haut der Produzenten saugen und sie nach und nach ausbluten lassen. Es ist selbst voller kreativer Entfaltungsmöglichkeiten, und aktuelle Rechtssprechungen haben darin eine Wirkung wie ein havarierter Öltanker.