Wenig bekannte 2-Minuten-Regel
Schwarzfahrer trotz Karte: Berliner Doppelstandard für App-Ticket
Wer schon mal das Glück hatte den öffentlichen Personennahverkehr der Bundeshauptstadt in Anspruch zu nehmen, kennt vielleicht auch die iPhone-Anwendung der Berliner Verkehrsbetriebe bzw. die fast baugleiche des in Berlin und Brandenburg aktiven VBB.
Diese ermöglicht nicht nur das Prüfen von Verbindungen und Abfahrtzeiten sondern bietet auch den Kauf sogenannter Handytickets an, deren Kosten vom persönlichen Girokonto eingezogen werden.
Für das App-Ticket, gelten – trotz identischer Preise – allerdings nicht die gleichen Regeln wie für die am Automaten gezogenen Fahrkarten. Eine Erfahrung, die der BILD-Mitarbeiter Jakob Wais kürzlich am eigenen Leib machen durfte.
Kauf mindestens zwei Minuten vor Fahrtantritt
So lassen sich die Digital-Tickets nicht nur nicht weitergeben – das Ablegen der zwei Stunden gültigen Fahrtickets neben den Fahrkartenautomaten hat in Berlin Tradition – auch dürfen diese nicht erst im Zug gekauft werden, sondern müssen mindestens zwei Minuten vor Fahrtantritt erworben werden.
Eine Regelung, die laut Recherchen des Tagesspiegels nicht nur in den Beförderungsbedingungen der Berliner S-Bahn fehlt, sondern auch im Kontrast mit der Konditionierung steht, die Tram-Fahrgäste seit Jahren über sich ergehen lassen. So fahren die Berliner Trams eigene Fahrkartenautomaten mit sich durch die Gegend und setzen voraus, dass der Fahrschein erst nach betreten des Wagings gekauft wird.
Wie gesagt, beim Handy-Ticket gilt eine andere Regel. Hier kann man trotz gültigem Fahrscheins als Schwarzfahrer aufgeschrieben werden, wenn dieser nicht mindestens zwei Minuten vor der Kontrolle erworben wurde. Wais berichtet auf dem Kurznachrichtenportal Twitter:
[…] Nachdem ich am Bahngleis des S-Bahnhofs Flughafen Schönefeld über die App der BVG einen gültigen Fahrschein (Einzelfahrschein ABC) löste und daraufhin um 19:12 Uhr die S9 bestieg, kam es gegen 19:15 Uhr zu einer Fahrscheinkontrolle. Selbstverständlich zeigte ich dem Kontrolleur sofort mein Ticket zur Kontrolle, wurde daraufhin aber vom Kontrolleur in aggressiver Weise belehrt, dass mein Ticket nicht gültig sei, da ich es nicht mindestens zwei Minuten vor Fahrtantritt gekauft habe. Eine solche Regelung ist mir allerdings nicht bekannt und lässt sich in den Beförderungsbedingungen der S-Bahn, auf die der Kontrolleur verwies, auch nicht finden.
Als meine Lebensgefährtin und ich uns daraufhin nach den Hintergründen dieser Erklärung erkundigten, wurde der Kontrolleur in einer Art und Weise ausfallend gegenüber meiner Lebensgefährtin, dass sie sich als Frau nicht respektiert fühlte. Daraufhin wollte der Kontrolleur „unter vier Augen“ mit mir sprechen und erklärte mir, dass ich keine Wahl hätte, als den Bußgeldbescheid zu akzeptieren, dass er aber aus Kulanz einen Vermerk für mich im System mache, in dem stehe, dass mein Handyticket zum Zeitpunkt der Kontrolle nicht geladen gewesen wäre und er mich deshalb ohne Fahrschein angetroffen habe. So müsse ich, versicherte er mir, nur 7 Euro bezahlen, wenn ich nur bei seiner Version der Ereignisse bliebe. Da dieses Verhalten auf mich betrügerisch wirkte, habe ich diesem Angebot des Kontrolleurs nicht entsprochen. […]
Da der VBB einen Zwei-Minuten-Countdown in seinen Handy-Tickets integriert hat, der verhindern soll, dass Schwarzfahrer schnell noch einen Fahrschein kaufen, wenn sie auf einen Kontrolleur aufmerksam werden, sind Fahrgäste in der Hauptstadt nun dazu angehalten einfahrende Züge abfahren zu lassen und die anschließende Wartezeit auf die nächste in Kauf zu nehmen, wenn das Ticket noch nicht gezogen wurde.