Apples 2015: Ein Jahr voller Beta-Produkte
Zwar würden wir die Überschrift des Bloggers Mario Aguilar nicht ohne Weiteres unterschreiben; mit seiner provozierenden Ansage „Everything Apple Introduced This Year Kinda Sucked“ hat der Gizmodo-Autore aber auch nicht ganz unrecht.
Wie kein anderes Jahr seit der Einführung des iPhones war Apples 2015 vor allem von Produkt-Vorstellungen geprägt, die den Beigeschmack unfertiger Beta-Präsentationen nur schwer zu verbergen wussten.
Apple Music
Im Gegensatz zu Apple Pay startetet Apples neuer Musik-Streaming-Dienst immerhin gleichzeitig in allen wichtigen Märkten Cupertinos, feierte sein Debüt aber mit einer so unübersichtlichen Oberfläche, dass selbst ausgesprochen wechselwillige Nutzer den dreimonatigen Gratis-Test noch vor dem Ablauf des Probezeitraums wieder einstellten.
Apple hat hier inzwischen mehrfach nachgebessert und sogar einen eigenen Twitter-Account eingerichtet, der den (englischsprachigen) Anwendern dabei helfen soll sich in der verwirrt aufgebauten Oberfläche des Spotify-Konkurrenten zurechtzufinden – auf große Veränderungen an dem erschlagenden User-Interface mit seiner Vielzahl an Textlinks, doppelten Wegen und verschachtelten Menüstrukturen warten wir derzeit jedoch noch vergeblich. Einen Web-Player wird Cupertino wohl bis auf Weiteres nicht ausliefern. Und Apple Music Connect? Hier entlang.
Apple Watch
Die Tatsache, dass die Apple Watch erst mit kleinen Apps zweiter Klasse startete führte in der Community der frühen Nutzer zu einem massiven Vertrauensverlust in die Performance des iPhone-Kompagnons. Auch das Betriebssystem-Update auf watchOS 2, das den Weg für richtige Watch-Apps bereitete und die Dritt-Applikationen nicht nur auf der Uhr anzeigte sondern auch auf ihr ausführte, scheint (bislang) nicht in der Lage, die Downloads uhrenspezifischer Anwendungen anzukurbeln.
Versteht uns nicht falsch: Niemand nimmt es euch übel, wenn ihr nach Monaten voll frustrierender „Wird geladen“-Bildschirme keine Lust mehr habt, auf die sich drehende Fortschrittsanzeige der Apple Watch zu warten. Apples Entscheidung, zum Marktstart auf eine provisorische App-Anzeige zu setzen, hat den initialen App-Store-Enthusiasmus vieler Uhren-Träger jedoch schnell verblassen lassen.
AppleTV
Ein geniales Gerät, das wir nicht nur zu Hause, sondern auch in den Wohnzimmern vieler Familienmitglieder aufgestellt haben. Doch auch die neue Set-Top-Box vermag ihren Beta-Status nicht zu verbergen.
Cupertino startete die TV-Box ohne Support für die iPhone-Fernbedienung „Remote“ und kündigte nach der hastigen Kurskorrektur schnell noch ein weiteres Update an, mit dessen Hilfe das iPhone demnächst auch in der Lage sein soll, euch eine virtuelle Kopie der Touch-Oberfläche der „Siri Remote“ anzubieten. Apple TV-Apps lassen sich noch immer nicht verlinken bzw. außerhalb des App Stores durchsuchen. Weder iTunes noch das iPhone zeichnen die kompatiblen Anwendungen entsprechend aus oder bieten Screenshots, die das Interface auf dem TV-Bildschirm zeigen.
Fotos-App
Gerade iPhone-Fotografen sind auf die von Apple bereitgestellte Fotos-App in OS X El Capitan angewiesen. Um so unverständlicher, warum Apple auch hier auf die Ausgabe einer (de-facto) Beta-Version setzte. Bis zur letzten OS X-Aktualisierung verstand sich die Fotos-App auf dem Mac nicht mal auf den Drag-and-Drop-Zugriff. Geteilte Foto-Streams gestatteten keinen Bild-Export.
Die Einführung der iCloud-Fotomediathek sorgte – ähnlich dem Apple Music-Start – für massive Verwirrungen. Und: Im Gegensatz zum Musik-Streaming-Dienst verzichtete Apple auf das Nachreichen mehrerer Anleitungsvideos für Ein- und Umsteiger. Solltet ihr mit der Fotos-App rundum zufrieden sein, dann aktiviert einfach mal die iCloud-Fotomediathek, schiebt euer gesamtes Schnappschuss-Archiv in Apples Wolke und versucht euch unter iOS 9 durch die Thumbnail-Bilder zu scrollen…
Apple News
Wie Apple Pay steckt auch Apples Apples News derzeit noch in den Kinderschuhen. Außerhalb der USA lässt sich der Nachrichtenüberblick mit einem Trick zwar auch hierzulande aktivieren, verzichtet aber auf deutsche Inhalte. Auch Apple kommuniziert noch keinen Termin wann bzw. ob Apple News auch in Deutschland verfügbar sein wird. Problematisch: Inzwischen existieren exklusive Apple News Inhalte im Netz, aus Deutschland heraus angeklickt, verabschiedet sich das iPhone jedoch mit einer Fehlermeldung.
Dauerbeta: iOS und OS X
Kein Jahr lieferte so viele Beta-Versionen für Apples Betriebssysteme wie 2015. Gleichzeitig haben sich die Zeiträume verkürzt, in denen eine bestimmte iOS-Version als „stable release“ angeboten wurde. Nutzer müssen häufiger Aktualisieren – Apples öffentliches Beta-Programm motiviert zur kontinuierlichen Nutzung halbfertiger Software-Vorabversionen. Die hier gesichteten Fehler beeinflussen nicht selten Foren-Diskussionen und App Store-Bewertungen. Der Zustand „Dauerbeta“ gehört für viele iPhone-Fans inzwischen zum Alltag und verschiebt die Perspektive.
ÖPNV in Apples Karten
iPhone-Nutzer können Apple jetzt im Geltungsbereich des VBB (dieser arbeitet hierzulande ausschließlich im Großraum Berlin und in Teilen von Brandenburg) nach Bus- und Bahnverbindungen befragen, im Rest der Bundesrepublik zuckt Apples Karten-Applikation bei entsprechenden Verbindungswünschen jedoch noch immer mit den Schultern. Verglichen mit Googles umfangreichen ÖPNV-Angebot ein Armutszeugnis.
Das MacBook, die Magic-Hardware und der Akku
Apples MacBook (Air)-Nachfolger verdient sich zwar keinen Beta-Stempel darf wegen seines Verzichts auf konventionelle USB-Schnittstellen aber durchaus als Testprodukt bezeichnet werden und passt damit hervorragend zum neuen Smart Battery Case und den Magic-Accessoires, die nicht nur durch hohe Preise sondern auch den offensiven Einsatz der Lightning-Schnittstelle für Diskussionen sorgten.
Homekit
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Puhhh…
Für 2016 wünschen wir uns ein kleine Verschnaufpause in Cupertino. Apple würde sich (und uns) einen großen Gefallen damit tun, das aktuelle Produkt-Lineup mit dem neuen iPad Pro, den hervorragenden iPhone 6s-Modellen und der gründlich überarbeiteten Mac-Familie nun auch wieder mit verlässlicher, fertiger und einfach zu bedienender Software auszustatten.
Der Neuausrichtung der Firmenspitze lässt uns zudem auf eine gründliche Verbesserung der App Store-Auftritte hoffen, die auch 2015 immer noch daran scheitern brauchbare Suchergebnisse auszuliefern und den wertvollen Anwendungen zu mehr Sichtbarkeit zu verhelfen.
Sowohl auf dem Mac als auch unter iOS hat sich die Anzahl der verfügbaren Anwendungen von einem Pluspunkt («Wir haben schon mehr als eine Millionen Apps in unserem Store») in ein nicht zu unterschätzendes Ärgernis gewandelt. Apple Software-Kaufhäuser haben ein Spam-Problem.
Also, drückt mit uns die Daumen. Wenn alles gut geht, dann liefert 2016 zuverlässigere Online-Dienste aus Cupertino, einfacher zu navigierende Software-Produkte und ein Hardware-Lineup, dass nicht mehr auf die hausinternen App-Entwickler warten muss, sondern mit funktionierenden Remote-Apps, nativen Watch-Applikationen und App Stores, die auch außerhalb des Apple TV auf entsprechende Apps für die Mattscheibe verweisen.